Romrod, den 04. März 2016 –
Wunderbar wanderbar fällt die siebte Passage des Lutherweges 1521 aus, obschon der Pilgerweg nicht den Anspruch eines Premiumwanderweges im Generellen erhebt. Gestartet wird an der Bahnstation Zell/Romrod um von dort aus in den zwei Kilometer entfernten Lutherweg am Romroder Schloß einzusteigen, dort wo sich auch in unmittelbarer Nachbarschaft die Geschäftsstelle des Lutherwegvereins befindet. Man verlässt das Antrefftal ostwärts um auf einer leicht ansteigenden Passage in das Schwalmtal Richtung Alsfeld einzusteigen.
Nach einer Waldpassage erreicht man nach drei Kilometern die Wüstung Oberrod, dort wo heute noch eine gut erhaltene Kirche steht, die man bei Voranmeldung besichtigen kann. Einem Bachverlauf folgend senkt sich der Lutherweg hinab nach Liederbach, welches man nur am nördlichen Ortsrand touchiert. Abweichend zur ausgeschilderten Wegpassage über den Gänsberg empfiehlt es sich bereits am Waldesrand die Wiesenrandschneise Richtung Altenburg einzuschlagen. Der Vorteil: man genießt weitreichende Ausblicke in das Alsfelder Land. Kurz vor Wegesende schlägt man auf der Höhe eines Jägersitzes Richtung Wald ein um auf einem Waldpfad parallel zur offiziellen Wegführung die Fährte nach Altenburg aufzunehmen.
Eine langgezogene Steinmauer führt zum Schloss Altenburg und der dort befindlichen Kirche. Das „Schloss“ als solches nicht mehr zwingend erkennbar, ist aus heutiger Brille eher mit dem Anmut eines baufälligen Gehöftes behaftet. Betrachtet man sich das Wappen oberhalb des Kirchenportales, fallen insbesondere die dort abgebildeten Esel auf. Hierbei handelt es sich um das Wappensymbol eines hessischen Uradels, den Riedesel Freiherren zu Eisenbach, die einst hier ansässig waren.
Von der hier verlaufenden Schloßbergstraße hat man einen schönen Ausblick auf das im Schwalmtal unten liegende Alsfeld. Folgt man dem ausgeschilderten Weg, so wandert man auf einer ausgesprochen schönen Passage entlang der Schwalm, ein Gewässer, welches am Nordrand des Vogelbergs entspringt und circa 100 Kilometer weiter oberhalb von Homberg Efze in der Eder entwässert.
Rasch ist Alsfeld und im Vorhof der Altstadt die Reste des ehemaligen Augustinerklosters erreicht. Einer Steintafel, die an einer Restfassade des ehemaligen Mönchstrakts angebracht ist, ist zu entnehmen, dass hier Luther seinerseits übernachtete. Die nebenan angebrachten Informationstafel des Lutherwegvereins verweist allerdings darauf , dass dies nicht der Fall war, sondern eher vermutet wird, dass Luther in einem Gasthaus am Marktplatz nächtigte. Mag dieser Sachverhalt für Historiker durchaus von besonderer Bedeutung sein, aus Pilgersicht kann diese Divergenz vernachlässigt werden.
Nicht vernachlässigen sollte man jedoch Alsfeld selbst. Ein Gang durch die historische Altstadt verdeutlicht, dass die mittelhessische Stadt schon immer etwas Besonderes gewesen war. Mehr als 400 Fachwerkhäuser, zum überwiegenden Teil hervorragend restauriert, kann man in der Kernstadt besichtigen. Es wundert nicht, daß 1975 der Europarat Alsfeld, welches übrigens auch den Status eines staatlich anerkannten Erholungsortes inne hat, zur „Europäischen Modellstadt“ erklärte.
Besonders beeindruckend ist der Marktplatz der 11.000 Einwohner zählenden Kernstadt, mit dem außergewöhnlichen Rathaus, welches, ähnlich dem Rathaus im Michelstadt im Odenwald auf Arkaden mit zwei ausgekragten Stockwerken vor ziemlich genau 500 Jahren errichtet wurde. Flankiert von mächtigen Steinhäusern aus dem 16. Jahrhundert (darunter das Hochzeitshaus) und einem der ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands kann man hier ein bemerkenswertes Ensemble besichtigen.
Nicht zu vergessen, die etwas zurückgesetzte Walpurgiskirche, die ihre Mächtigkeit erst entfaltet, wenn man um die Ecke des Rathauses geht. Der Sakralbau ist, so kann man der außenstehenden Informationstafel entnehmen, allemal ein Besuch wert. Umso ärgerlicher, dass Besichtigungen nur zwischen Mai und Oktober möglich sind. Hier wäre es durchaus angebracht, dass man in Einklang mit der Bedeutung des Standortes Alsfeld und dem Lutherjahr das Thema „Offene Kirche“ offensiver ausgestaltet. Eine Geschäftsfrau in einem angrenzenden Laden klagt hierzu ihr Leid. Sowohl die Kirche als auch die Leichenhalle sind unbeheizt, was zur Folge hat, dass Angehörige bei Begräbnissen mittlerweile lieber in den Trauerräumen von Beerdigungsinstituten Abschied von den Verstorbenen nehmen. 500 Jahre nach Luther scheint zumindest in Teilbereichen der Fortschritt noch nicht angekommen zu sein, Aspekte, die durchaus nachdenklich stimmen.
Trotz allem geht es, sichtlich beeindruckt von Alsfeld, weiter auf gut gangbaren Wegen in das 20 Kilometer entfernte Grebenau. Sanft hügelig die Landschaft, angenehm die Waldpassagen. Begleitet von der Eifa geht es die gleichnamige Ortschaft im wahrsten Sinn des Wortes „links liegend lassend“ vorbei an einer im Tal gelegenen Ausflugsgaststätte, der „Hardtmühle“. Im Sommer ein herrliches Fleckchen Erde um zu einer Pilgerrast einzukehren.
Nicht minder schön die folgende Waldpassage, die östlich zwischen Köllenberg und Auerberg weiterführt. Unterthalb eines ehemaligen Basaltsteinbruches entwickelt sich eine naturbelassene Landschaft, die im Pilgerführer trefflicherweise als „Urwald“ deklariert wird.
Bald ist der Weiler Schwarz erreicht, dort wo nach Beschreibung zwei Gaststätten zur Einkehr laden. Eine ist jedoch geschlossen, die andere von einer geschlossenen Gesellschaft okkupiert, keine Chance für einen Märzwanderer, nach 30 Kilometern eine Rast einzuhalten. Vielleicht auch ein Zeichen angesichts der herrschenden Fastenzeit. So gilt es einen Schlussspurt zum Tagesziel Grebenau einzulegen, um den von dort im Zwei-Stunden-Takt abfahrenden Bus frühzeitiger als geplant zu erreichen. Nach 35 Kilometern und sehr moderaten 485 Höhenmetern geht eine wunderbar Wanderung zu Ende. Einziger Wermutstropfen, dass entlang der gesamten Passage keine einzige Kirche besichtigt werden konnte. Pilgergruppen sei daher anzuraten sich frühzeitig zu informieren und sich bedarfsbezogen bei den Kirchengemeinden anzumelden. Bleiben noch 99 Wanderkilometer bis zur Wartburg nach Eisenach.
Großes Kompliment an den Bild- und Textautor!!! Ganz große Klasse – vielen Dank.
Gerold Beckmann
Wunderbare Fotos, schöne Texte, sehr schöne Detailaufnahmen einzelner Gebäude, Landschaften u. Natur, gaaanz großartig! Besonders hat mir die Erkerfigur „Frau Merkel“ gefallen (Ähnlichkeit vorhanden), besonders die obligatorische Raute am Hals der Figur, toll! Wo ist sie zu finden?
Hi, die besagte Erkerfigur findet man, wenn man vom Rathaus Alsfeld auf das Wirtshaus Kartoffelsack zusteuert, rechts abbiegt und nach circa 100 Metern an einem Eckhaus an der linken Seite – Gruß – Martin